In Zukunft werden wir mit Maschinen und Geräten sprechen – immer und überall. Das ist eigentlich keine allzu exotische Vorhersage, schließlich nutzen wir schon jetzt die Spracherkennungsfunktion unserer Smartphones. Dennoch zeichnet sich hier ein großer Trend in unserer täglichen Kommunikation ab. Dabei sind aktuell viele Technologien in der Erprobung, die noch vor wenigen Jahren als Science-Fiction galten: selbstfahrende Autos, Roboter, die mit Menschen kooperieren, künstliche Intelligenzen oder implantierte Smartphones. Doch wie werden diese Technologien unsere Kommunikation, die Art und Weise, wie wir Geschichten erzählen, und damit auch die dreidimensionale Markenkommunikation beeinflussen? Sicher ist: Das Publikum will mehr Drama, mehr Action und mehr Macht bei der individuellen Gestaltung von gut erzählten Storys, deren echte und virtuelle Bilder mittlerweile kaum noch voneinander zu unterscheiden sind …
Ein Gastbeitrag von Dipl.-Ing. Sabine Marinescu und Dipl.-Ing. Janina Poesch vom 18. Dezember 2018  (Foto: SOFTlab, New York | zur Verfügung gestellt von PLOT Magazin, Stuttgart)

Geschichten gestalten in der Markenkommunikation

Wir alle lieben sie: Geschichten! Wenn sie uns besonders spannend, emotional und unterhaltsam erzählt werden, haben wir gleich das Gefühl, direkt dabei gewesen zu sein, erleben Empathie mit dem Protagonisten und lassen uns in Welten entführen, die wir so zuvor noch nicht kannten. Auch wenn „Storytelling“ in den letzten Jahren zum „Buzzword“ mutiert ist, ist das Erzählen von Geschichten ein jahrtausendealtes probates Mittel, um Informationen gepaart mit Emotionen weiterzugeben und Botschaften in den Köpfen und Herzen der Zuhörer zu verankern. Das wussten nicht nur die Höhlenmenschen, die um das Feuer saßen, sondern auch unzählige Sagenschreiber, Filmemacher und aktuell vor allem findige Unternehmen aus Kommunikation, Werbung und Marketing, die mit gut platzierten Geschichten und gezieltem Content-Marketing das Langzeitgedächtnis von Konsumenten erreichen möchten.

Da sich aber die Welt um uns rasant weiterentwickelt, wir schon lange nicht mehr an Großmutters Seite in antiken Büchern stöbern und neue Technologien sowohl unseren Alltag als auch die Art und Weise unserer Kommunikation stark beeinflussen, ändert sich auch unser „Konsumverhalten“ von Geschichten. Besonders im Bereich der Markenkommunikation spielt dies eine wesentliche Rolle: Potenzielle Kunden sind nicht mehr nur auf einem Kanal zu erreichen, müssen individuell abgeholt und im Idealfall aktiv in eine Geschichte mit einbezogen werden. Zuschauer werden damit selbst zu Erzählern und Unternehmen zu Gestaltern einer fiktiven, sich stets verändernden Umgebung.

Tech-Telling

Wie diese Umgebungen beziehungsweise Rahmenbedingungen für Geschichten und Botschaften aller Art in Zukunft aussehen können, demonstrierte Laura-Jane Rich1 auf dem Adobe Summit in London im Mai 2017: Laut der Moderatorin des BBC-Technologie-Magazins „Click“ werden drei Trends auf uns zukommen, die uns wesentlich beeinflussen werden – in der Kommunikation, im Marketing sowie im Alltag.

Mit „Deep Experiences“ fasste die Londonerin beispielsweise sämtliche tiefgehende Technologien zusammen, welche die Nutzer „gefangen nehmen und faszinieren“ – wie etwa das „algorithmische Kino“: Während Zuschauer einen Film sehen, sind sie an Maschinen angeschlossen, die körperliche Werte wie Gehirnströme und Blutdruck messen. Signalisieren diese Faktoren, dass sich der Zuschauer langweilt, ändert ein Algorithmus automatisch die Geschichte des Films. So entsteht eine nicht lineare Story, die individuell auf die Interessen eines jeden Einzelnen zugeschnitten werden kann. Darunter fällt ebenfalls das „haptische Internet“: Emotionen, Berührungen oder Gefühle können nicht über Codes und Bildschirme, sondern vielmehr über Wärme und Wasser (oder andere Stoffe) übermittelt werden: So lässt sich bereits heute das Gefühl einer Umarmung über einen Wasser-Touchscreen versenden.

Einen zweiten Trend sieht Rich in der „Altered Reality“: Dank Augmented und Virtual Reality werden Nutzer zunehmend aufgefordert, in andere Welten einzutauchen. Sie verlassen die echte und begeben sich in eine „modifizierte Realität“ – wobei sie damit von mindestens zwei ihrer Sinne abgeschnitten sind: Sehen und Hören. Dementsprechend bekommen sie nicht mehr mit, was um sie herum geschieht, lassen das „Normale“ hinter sich, und ihr Spürsinn für unterschwellige Werbung und Botschaften geht komplett verloren – sie merken also noch nicht einmal, wenn sie beeinflusst werden. Fakt und Fiktion werden eins.

Abgerundet werden diese Aussichten durch „Sensing Tech“ – eine Entwicklung, die dabei helfen soll, die Technologie als solche sowie die dahinterstehenden Prozesse gar nicht erst wahrzunehmen und sie damit zu vergessen. Durch Chips beziehungsweise Wearables können zum Beispiel Gehirnaktivitäten sowie Vitalfunktionen überwacht und die Umgebung analysiert werden – wodurch ein mächtiger Meinungsapparat entsteht. Durch körperliche Reaktionen erkennt dieser dann etwa, ob Nutzer nach einer anstrengenden Sporteinheit gerade Durst auf ein Erfrischungsgetränk haben, um anschließend eine Nachricht an das Smartphone zu schicken, das dank virtuellem persönlichem Assistenten (VPA) kurzerhand den Weg zum nächsten Coffee-Shop aufzeigt.

Story-Spacing

Gewiss beinhalten all diese Kommunikationstrends vielversprechende Technologien, die den Menschen dabei helfen sollen, ihr Potenzial zu verwirklichen. Sie sind aber auch optimale Chancen, um Botschaften geschickt in unser Unterbewusstsein zu implantieren:

Sobald wir tief ergriffen sind, die Geschichte sogar selbst beeinflussen können bzw. sie individuell auf uns zugeschnitten ist, sind wir mehr als bereit, kompletter Teil der Handlung und damit Teil einer Marke zu werden.

Dass sich gut erzählte Geschichten dabei nicht nur „immateriell“ in unseren Köpfen abspielen, sondern auch eine dreidimensionale Heimat haben können, in der Markenkommunikation sogar brauchen, ist dabei weiß Gott kein Geheimnis! Aber wie wirken sich Technologie und Kommunikation der Zukunft auf den Raum und damit seine Gestaltung aus? Wie werden fortgeschrittenes maschinelles Lernen, künstliche Intelligenzen, Roboter, Augmented, Virtual und Mixed Reality, Wearables, Invisible Computing, Conversational Systems, das Internet der Dinge, die rasante Weiterentwicklung der Smartphones (dünner, schneller, besser und natürlich noch smarter) inklusive intelligenter Apps die Kreativen und ihre Arbeit und damit die Markenkommunikation im Raum beeinflussen?

Im Folgenden versuchen wir diese Fragen anhand einiger Beispiele zu beantworten. Laut David Cearley2, Vize-Präsident des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Gartner, wird uns in Zukunft aber einiges erwarten:

„Bis 2021 werden wir ein weitgehend nahtloses System von Geräten haben, die fähig sind, den Informationsfluss zu orchestrieren und dem Nutzer hyperpersonalisierte, relevante Dienste zu bieten. Die Integration von multiplen mobilen Geräten, Wearables, dem Internet der Dinge und der mit Sensoren bestückten Umwelt wird solche Dienste dabei über reine Single-User-Dienste hinaus entwickeln. So werden Menschen, Geräte und Räume auf eine neue Art in Verbindung treten.“

Quellen: 1 www.basicthinking.de 2 www.ke-next.de

Können Daten die Inszenierung von Räumen beeinflussen?

IBM Watson, ein fast menschlich kommunizierendes, kognitives Computer-Programm, erzielte mit der Fähigkeit, maschinell zu lernen, bereits 2011 in der amerikanischen Quizshow Jeopardy erstaunliche Ergebnisse. Nun kreierte die New Yorker Agentur SOFTlab mithilfe des Supercomputers den Auftritt des IT-Unternehmens auf dem Mobile World Congress 2017 in Barcelona. Gestalterische Inspiration für die interaktive Installation waren die vertikalen Kettenmodelle Antonio Gaudís, die er für die statische Berechnung – beispielsweise der Sagrada Família – experimentell nutzte.

Bereits im Planungsprozess kam Watson dabei zum Einsatz: Gespeist mit einer Vielzahl von Daten und Bildern der Arbeit Gaudís, identifizierte das visuelle Erkennungsprogramm die grundsätzlichen – meist der Natur entlehnten – Gestaltungselemente des spanischen Architekten. Diese Prinzipien übersetzten die New Yorker Kreativen anschließend in eine zeitgemäße, hängende Skulptur aus blütenförmigen Aluminiumformen und farbchangierenden Folien, die dann auf dem Kongress präsentiert wurde. Dabei beeinflusste Watson auch vor Ort die Erscheinung des Auftritts maßgeblich: Daten aus den sozialen Kanälen sowie Interfaces auf der Ausstellungsfläche wurden gesammelt, führten zu neuen Formationen der Skulptur in Echtzeit und demonstrierten damit die Veränderungsmöglichkeit eines realen Raums mithilfe künstlicher Intelligenz.

Credits

Konzeption und Planung: SOFTlab, New York – www.softlabnyc.com
Auftraggeber: IBM Corporation, Armonk – www.ibm.com
Fotos: SOFTlab, New York | zur Verfügung gestellt von PLOT Magazin, Stuttgart

Kann eine App den Markenraum verändern?

Intelligente Applikationen können nicht nur das tägliche Leben vereinfachen, sie können zudem wesentlichen Einfluss auf Prozesse innerhalb eines Markenauftritts haben.

Mit einer digitalen Anwendung für Montblanc-Luxusuhren demonstriert die Hamburger Agentur demodern seit 2017, wie eine exklusive digitale Produktpräsentation im Raum aussehen kann: Um Formen, Funktionalitäten sowie die hochwertige Ästhetik der Luxusgüter digital zu veranschaulichen, konzipierten die Kreativen eine umfangreiche Applikation, die als beratendes Tool während intensiver Verkaufsgespräche dient und dabei die Handwerkskunst der Uhrmacher eindrucksvoll erläutert. Da die App auf iPads bis hin zu 85″-Touch-Displays funktioniert und dank eines Application Caches jederzeit auch offline genutzt werden kann, ist ein flexibel einsetzbares Marketinginstrument entstanden, das sowohl in den Montblanc-Stores als auch auf Roadshows oder Messen zum Einsatz kommen kann. Zudem können in den Markenraum fest integrierte PoS-Displays mit den Inhalten der Anwendung gespeist werden, um die feinen Mechanismen sowie die Extravaganz der Uhren auch im Raum spürbar werden zu lassen.

Credits

Konzeption und Planung: demodern GmbH, Hamburg/Köln – www.demodern.de
Auftraggeber: Montblanc Deutschland GmbH, Hamburg – www.montblanc.com
Fotos: demodern GmbH, Hamburg/Köln | zur Verfügung gestellt von PLOT Magazin, Stuttgart

Können digital übertragene Emotionen auf unser Kaufverhalten einwirken?

Es sind immer Emotionen im Spiel, wenn wir einkaufen, denn unser Kaufverhalten ist nicht unbedingt rational begründbar – manchmal ist es die Haptik, die Farbe oder das Markenversprechen, das uns intuitiv zugreifen lässt. Diese Tatsache machte sich eBay kurz vor Weihnachten 2016 zunutze und eröffnete in der Londoner Mortimer Street für 48 Stunden den „The Ultimate do good, feel good Shop“, in dem das Kaufverhalten digital analysiert und beeinflusst wurde.

In vier Kabinen, ausgestattet mit einer versteckten Kamera, wurden den Kunden mittels Bildschirm zwölf Artikel präsentiert. Die Kamera nahm dabei alle Bewegungen aus Gestik und Mimik auf, wertete diese Emotionen aus und generierte für jeden Käufer eine individuelle Top-drei-Liste an Produkten. Mit einer digitalen Grafik wurde das Ergebnis der Auswertung daraufhin auf den Bildschirm projiziert.

Kunden, die sich auf das Experiment einließen, waren positiv überrascht und konnten sich gut mit der ausgewählten Ware identifizieren. Das von der kalifornischen Datenplattform Lightwave konzipierte System basiert dabei auf einer Bio-Analytic-Technologie sowie dem sogenannten Facial-Action-Coding-System und beweist, dass es auch in Zukunft ein Kinderspiel sein wird, unsere Emotionen bei Kaufentscheidungen zu analysieren und durch gezielte Werbung zu beeinflussen – schließlich hat heutzutage fast jeder Laptop eine Webcam …

Credits

Konzeption und Planung: Lightwave Inc., Los Angeles – www.lightwave.io
Auftraggeber: eBay Inc., San José – www.ebayinc.com
Fotos: Doug Peters, Stotfold | zur Verfügung gestellt von PLOT Magazin, Stuttgart

Die Gastautorinnen:
Dipl.-Ing. Sabine Marinescu und Dipl.-Ing. Janina Poesch

Dipl.-Ing. Sabine Marinescu und Dipl.-Ing. Janina Poesch | Fotograf: Quimey Servetti
Fotograf: Quimey Servetti

Dipl.-Ing. Sabine Marinescu und Dipl.-Ing. Janina Poesch

Herausgeber, Einnehmer und Geschichtenerzähler

Sabine Marinescu und Janina Poesch sind die beiden Gründerinnen und Herausgeberinnen von PLOT – das internationale und einzig wahre Netzwerk für Inszenierungen im Raum, das sich vor allem mit Ausstellungsgestaltung, Film- und Bühnenarchitektur, Markenwelten und Neuen Welten befasst.

Als studierte Architektinnen und ausgebildete Journalistinnen widmen sie sich somit hauptsächlich dem geschriebenen Wort, geben ihm den angemessenen Raum und erzählen die Geschichten hinter den (Raum-)Geschichten. Seit 2008 versuchen sie von Stuttgart aus mit eigenem Magazin, Internet-Plattform, Events und weiteren Publikationen im Bereich der Szenografie die Weltherrschaft der Inszenierungen im Raum zu übernehmen.

Fortsetzung folgt …

www.PLOTmag.com