Trend High Class Hospitality: Um eine Generation anzusprechen, die mehr Wert auf das Tun als auf das Haben legt, wenden sich immer mehr Labels Marken-Hospitality-Räumen zu und zelebrieren damit erlebbare Gastfreundschaft.

Ein Gastbeitrag von Dipl.-Ing. Janina Poesch. (Fotos: Prada S.p.A., Mailand; Maison ELLE / Valotel France, Valence | Alle Fotos zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch.)

Wer sich vor 20 Jahren den Designeranzug oder das extravagante Abendkleid aus teuerstem italienischem Hause nicht leisten konnte oder wollte, aber dennoch gewillt war, sich in einen Hauch von Luxus zu hüllen, griff zu Ledergürteln, Sonnenbrillen, Seidentüchern oder den Duftlinien, die Armani, Gucci, Prada und Co. im Angebot hatten.

Da sich heutiger Luxus aber längst nicht mehr allein in Klamottage und Accessoires manifestiert, sondern vielmehr in einzigartigen Erlebnissen, wird bei den High-Class-Fashion-Brands eine neue Kreativität freigesetzt und der Blick über den Tellerrand erlaubt immer wieder neue spannende Möglichkeiten, um sich in neuen Kontexten und damit auch neuen Märkten und Zielgruppen zu präsentieren: Sie engagieren sich für Kunst und Kultur, gründen Plattenlabels oder eröffnen Hotels an malerischen Orten.

Dabei ist Letzteres gewiss nicht neu: Bereits im Jahr 2000 entstand im australischen Queensland mit dem Palazzo Versace das weltweit erste Hotel einer Modemarke mit dem Ziel, die Designphilosophie bzw. die Werte des italienischen Unternehmens mit einem luxuriösen Hotelkonzept zu vereinen – spektakuläre Architektur und opulentes Dekor inklusive.

Armani, Audemars Piguet, Bulgari, Dior, Gucci, Louis Vuitton und und und folgten, bis es wieder ruhiger um die Idee wurde, das Gastgewerbe zu erobern.

Doch der Wunsch (vor allem der Gen Z), nach der COVID-19-Pandemie wieder erinnerungswürdige Momente zu erleben, die in sozialen Netzwerken geteilt werden können, verleiht dem „Trend“ neuen Schwung: Aktuell sprießen immer mehr eigenständige Restaurants, Bars, Cafés und sogar Pop-up-Spas aus dem Boden, die Social-Media-Hintergrund und Sehnsuchtsort zugleich sind und den Markenkosmos immens erweitern.

Prada Caffè

Harrods in London

Prada bringt Mailänder Chic und die italienische Aperitivo-Kultur nach London – wobei jedes Detail die Gestaltsprache der Marke widerspiegelt.

Geschmackssicher - High Class Hospitality | Foto: Prada S.p.A., Mailand (Zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch)
Geschmackssicher - High Class Hospitality. | Foto: Prada S.p.A., Mailand (Zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch)
Geschmackssicher - High Class Hospitality. | Foto: Prada S.p.A., Mailand (Zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch)

Das Interieur des Pop-up-Cafés ist der Innenarchitektur der Pasticceria Marchesi nachempfunden – einer Mailänder Konditorei, die 1824 eröffnet wurde.
Das Café ist vom 31. März 2023 bis April 2025 geöffnet.

-> Zum Prada Caffè

(Fotos: Prada S.p.A., Mailand | Alle Fotos
zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch.)

Holistic Brand Experiences

Die Verbindung von High Fashion und High Hospitality liegt dabei offen auf der Hand: Kund:innen, die Geld für Ersteres ausgeben, investieren auch in Zweiteres – und umgekehrt. Ihnen geht es um höchste Qualität, Handarbeit und Ästhetik.

Hinzu kommt, dass sich beide Bereiche durchaus gegenseitig befruchten: Während Modedesigner ihr Gespür für guten Geschmack, Trends, Farben und Textilien beweisen, sind Spitzenköche oder Hoteliers absolute Experten darin, Erlebnisse zu bieten, die intensiver sind als in jedem Brand Store – da sie wirklich alle Sinne ansprechen. Das ultimative Eintauchen in das Markenuniversum ist somit garantiert.

Davon ist auch Prada überzeugt, die jüngst ein Café im Londoner Traditionskaufhaus Harrods eröffneten. Das italienische Modelabel ist Profi, wenn es darum geht, raffiniert neue Welten zu erobern, und so verkörpert es auch hier seine DNA auf subtile, aber präzise Weise.

Wände, Decke und Einrichtung sind im zarten, ikonischen Grün der Marke gehalten und der Raum ist bis ins kleinste Detail auf das Markenbild abgestimmt:

Nicht nur die liebevoll arrangierten Köstlichkeiten, die akkurat in den Regalen stehen, sondern auch das gravierte Silberbesteck und das erlesene Geschirr sprechen Bände: Es reicht von blassblauem japanischem Porzellan bis hin zu mundgeblasenem Kristallglas.

Der schwarz-weiß karierte Boden ist der Prada-Boutique in der Mailänder Galleria Vittorio Emanuele II nachempfunden, während die Blumenreliefs an den Wänden an einige der Flagship-Stores in aller Welt erinnern.

Kulinarisch deckt das Angebot an Speisen und Getränken den ganzen Tag ab – vom Frühstück bis zu den Cocktails am Abend – und bietet eine moderne Interpretation italienischer Klassiker.

Vor allem das Gebäck, das in der zentralen Theke präsentiert wird, macht deutlich, was Prada ausmacht: die Verbindung von handwerklichem Können mit modernen Techniken sowie von klassischen Zutaten mit zeitgenössischen Geschmacksrichtungen. Marke und Gourmet-Erlebnis sprechen damit eine eindeutige Sprache.

Maison ELLE in Paris

Französischer Charme und Stilgefühl:
Im Herzen von Paris hat das Modemagazin ELLE sein eigenes Boutique-Hotel eröffnet.

Geschmackssicher - High Class Hospitality | Foto: Maison ELLE / Valotel France, Valence (Zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch)

Der Stil des Fashion-Magazins ist im Raum erlebbar:
Zahlreiche Bilder, Collagen und Zeichnungen aus dem
ELLE-Archiv schmücken die Wände.

-> Maison ELLE entdecken

(Fotos: Maison ELLE / Valotel France, Valence | Alle Fotos
zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch.)
Geschmackssicher - High Class Hospitality | Foto: Maison ELLE / Valotel France, Valence (Zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch)
Geschmackssicher - High Class Hospitality | Foto: Maison ELLE / Valotel France, Valence (Zur Verfügung gestellt von Gastautorin Janina Poesch)

Brand Extensions

Auch andere Branchenriesen wollen sich von dieser Marketingstrategie eine Kuchenscheibe abschneiden und ihrem etablierten Label eine Lifestyle-Komponente hinzufügen: Als erstes Medienunternehmen bietet beispielsweise das Modemagazin ELLE seit Ende 2022 Reisenden eine Destination im Maison ELLE – einem kleinen Boutique-Hotel in Paris – an.

Ziel ist es, die rückläufigen Magazinverkäufe aufzufangen und eine zusätzliche Einnahmequelle (aber auch neue Abonnements) zu generieren.

So können die Gäste nun, während sie auf französischen Vintage-Möbeln sitzen und ihren Café au Lait aus Tassen zeitgenössischer französischer Designer trinken, in Büchern und Magazinen aus dem 77 Jahre alten ELLE-Archiv blättern und die dazugehörigen Kampagnen an den Wänden bewundern.

Die exquisite Mischung aus Mode, Dekoration und französischer Lebensart, für die das Magazin steht, findet in den Räumlichkeiten ihre adäquate Erweiterung. Weitere Hotels in Brasilien, Europa und China sollen folgen.

Aber auch jedes andere Unternehmen, das für seine Markenwerte weithin bekannt ist und glaubwürdig Beziehungen zur Hospitality-Branche herstellt, kann sich diesen Markt erschließen und neue Touchpoints generieren.

Gerade in Zeiten, in denen vermehrt online gekauft wird, ermöglichen multisensorische Erlebnisse den Kontakt zu jüngeren, neuen Zielgruppen – gleichzeitig wird die emotionale Bindung zu bestehenden Kund:innen intensiviert, da die Marke auf moderne Art und Weise erfahren werden kann.

Neben dieser neuen persönlichen Identifikation bringen jene Projekte vor allem aber auch Sichtbarkeit und Medienpräsenz: Die Social-Media-Generation trägt viel dazu bei, einzigartige Orte und genussvolle Momente zu vermarkten.

Dabei ist es aber vor allem wichtig, ein konsistentes, unverwechselbares Gestaltungskonzept zu entwickeln, das die Markenwerte perfekt in den Raum übersetzt: Licht, Materialien, Möbel und natürlich die Tischkultur müssen zur Identität passen und diese stärken.

Aber auch jedes andere Unternehmen, das für seine Markenwerte weithin bekannt ist und glaubwürdig Beziehungen zur Hospitality-Branche herstellt, kann sich diesen Markt erschließen und neue Touchpoints generieren.

Gerade in Zeiten, in denen vermehrt online gekauft wird, ermöglichen multisensorische Erlebnisse den Kontakt zu jüngeren, neuen Zielgruppen – gleichzeitig wird die emotionale Bindung zu bestehenden Kund:innen intensiviert, da die Marke auf moderne Art und Weise erfahren werden kann.

Neben dieser neuen persönlichen Identifikation bringen jene Projekte vor allem aber auch Sichtbarkeit und Medienpräsenz: Die Social-Media-Generation trägt viel dazu bei, einzigartige Orte und genussvolle Momente zu vermarkten.

Dabei ist es aber vor allem wichtig, ein konsistentes, unverwechselbares Gestaltungskonzept zu entwickeln, das die Markenwerte perfekt in den Raum übersetzt: Licht, Materialien, Möbel und natürlich die Tischkultur müssen zur Identität passen und diese stärken.

Dass es sich dabei nicht immer um ein High-Class-Restaurant handeln muss, beweist Jung von Matt, die Mitte April mit Friedrich Liechtenstein unter die Gastronomen gegangen sind: Ihre Troya Bar – benannt nach dem trojanischen Pferd aus dem Logo der Kreativ- und Werbeagentur – soll ein neuer Hotspot im Berliner Nachtleben werden.

Das Musik- und Eventkonzept passt dabei ebenso zur hippen Marke und ihrer Entourage wie das dunkelgrüne Interieur mit Messingakzenten.

Die Möglichkeiten, sich als Marke in einem neuen Raum widerzuspiegeln, sind also grenzenlos.

Und eines ist sicher: Ein Drink, ein Drei-Gänge-Menü oder ein Prada-Törtchen sitzen glücklicher auf den Hüften als der schicke Ledergürtel …

Die Gastautorin: Dipl.-Ing. Janina Poesch

Janina Poesch ist diplomierte Architektin,
ausgebildete Journalistin und
freie Autorin zahlreicher Publikationen zu den Themen
Zukunft, Szenografie und (Marken-)Kommunikation im Raum.

An der Hochschule RheinMain unterrichtet sie Brand Spaces,
ist Herausgeberin des Brand Experience & Trade Fair Design Annual und
weiß den roten Faden in (Brand) Stories – den PLOT – sehr zu schätzen …

Cornelia Saalfrank auf der biennale di venezia, Fotograf Philippe Jacq
Dipl.-Ing. Janina Poesch
Fotograf: Mario Hegewald